Rentiere

Rentiere

Nach einer ruhigen Nacht auf unserem ersten Freisteherplatz wird es Zeit, unsere Reise fortzusetzen. Das Wärmen der Beutel über den Zigarettenanzünder hat reibungslos gut funktioniert. Auch eine Dämmerung gibt es jetzt nicht mehr, um schlafen zu können müssen wir alle Luken dicht machen. Ist natürlich auch praktisch, so spart man Strom. Wenn man Licht braucht, schiebt man einfach eines der Rollos ein Stück hoch.

In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viel zusammenhängenden Wald gesehen. Und so wenig Zivilisation. Wir bewegen uns ungefähr parallel zur russischen Grenze weiter Richtung Norden. Noch 300 km bis zum Polarkreis.
Plötzlich bremst Frank hart ab, was mich aus meinem Nickerchen reißt und ich erkenne auf der Straße warum dieses Bremsmanöver notwendig war: zwei ausgewachsene Rentiere stehen dort und gucken uns gelassen entgegen. Unsere ersten Rentiere!


Gegen Mittag erreichen wir den Hossa Nationalpark. Natürlich auch den wieder nur über eine 7km lange Schotterpiste. Armer Georgie. Bei leichtem Regen ziehen wir unsere Schutzkleidung an und stapfen los, durch ein ursprüngliches Waldgebiet über Stock und Stein. Hier ist Trittsicherheit und festes Schuhwerk unabdingbar. Leider stellt sich heraus, daß der Weg auch ziemlich viel Steigung hat, es geht rauf und runter so daß ich nach einem Kilometer das Handtuch werfe und ohne Frank zurück gehe, der die 5 km Runde dann ohne mich gehen wird.

So gehe ich gemächlich zurück zum Ausgangspunkt, was mir Gelegenheit gibt, erneut die wunderbare Natur zu bewundern. Es gibt Wachholder, der hier mehr als kleiner Strauch wächst und wo man mit ganz viel Glück noch ein Beerchen vom letzten Jahr findet, kaum größer als ein Pfefferkorn.

Der Kuckuck ist wie überall auch hier unterwegs, es gibt Bäume mit Haaren und Keulenbärlapp mit Blüten. Schöne Pilze sprießen auf Toten Bäumen.

Wo viel Wasser den Berg runter kommt, gibt es Stege aus dicken Bohlen. Oder auch nicht.


Überall liegen mehr oder weniger große Steine herum, rund geschliffen vor Millionen Jahren von Gletschern, eine typische Endmoränenlandschaft. Birken sieht man nur noch selten, die Waldkiefer überwiegt das Bild.
Frank ist fast doppelt so lange unterwegs als angenommen,  da der Weg doch beschwerlicher ist als erwartet. Über eine heiße Suppe freut er sich. Nach der Stärkung geht es weiter, Ziel ein Campingplatz im Oulanka Nationalpark. Immer häufiger stehen Rentiere grasend am Straßenrand. Was logisch ist, denn im Wald gibt es natürlich kein Gras.

Auch die gefürchteten Stechmücken werden langsam ein Thema. Im Wald werden wir hartnäckig von einzelnen verfolgt. Sie sind riesig, sicher drei bis vier mal so groß wie bei uns und versuchen, durch die Jeans zu stechen. Das ist nur die Vorhut. Wenn hier richtig Saison ist, ist das sicher nicht mehr lustig.

Und noch eine Sache fällt mir auf. Wir sind mittlerweile so weit ab vom Schuß, daß man einem lang in Vergessenheit geratenes Relikt aus der Kindheit wieder regelmäßig begegnet: dem Plumpsklo. Herzhausen. Auf dem Foto rechts zu sehen. Zum Abdecken wird eine Art Rindenmulch verwendet, was dann beim Kompostieren hilft. Man kriegt das Zeug in jedem Baumarkt.

Es ist halb sechs, Zeit den Wohnwagen aufzubauen, Strom anzuschließen und den ersten Beutel zu wärmen. Wärend der warm wird, was ca. eine Stunde dauert, koche ich Spaghetti und eine Bolo. Frank gönnt sich eine 4,80 Euro Dose Bier dazu, die er schnell noch an der Rezeption gekauft hat.

Für solche kleinen Erledigungen, den Weg zur Toilette sollte man weiter weg vom Sanitär stehen und Städtetouren haben wir uns im Frühjahr kleine Mini-E-Bikes gekauft, die man im Notfall oder einfach weil’s Spaß macht auch ohne Pedale fahren kann, mittels Gashebel. Sie lassen sich klein zusammenfalten und passen dann auch in den Kofferraum. Die kleinen Dinger sind jeden Cent wert und erleichtern das Leben beim Camping ungemein. Außerdem sind sie ein gutes Stück leichter als normale Räder, was das Heben auf den Fahrradträger deutlich einfacher macht.

Wir stehen hier mal nicht direkt an einem See, sondern mitten im Wald. Die Sauna kann man mieten, was wir für morgen Abend schon eintüten, da wir zwei Nächte geplant haben und morgen im Nationalpark wandern wollen. Es soll Wasserfälle geben.

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